Der Dichter, Maler und Kabarettist Joachim Ringelnatz hatte bevor er nach München kam bereits als Matrose die Welt umsegelt. Zeitgenossen berichten, daß er nur selten nüchtern anzutreffen war, aber im Suff zuweilen mehr Weisheit von sich gab, als manch anderer im ganzen Leben. Im März 1909 sieht er ein Inserat für ein Tabakgeschäft, das genausoviel kostet wie er gerade in bar besitzt, da schlägt er zu. Er richtet sich den Laden, den er "Zum Hausdichter" nennt, recht originell ein, im Schaufenster liegt sogar ein Menschenskelett. Oft kommen seine vermögenden Bekannten aus dem "Simpl" in der benachbarten Türkenstraße nach der Polizeistunde mit Schnapsflaschen und Hockern zum Tabakladen, um dort weiter zu saufen. Im "Simpl" fühlt sich Ringelnatz am wohlsten und ist dort auch beliebtt.
Dort trägt er seine obszönenGedichte vor, die den anwesenden Damen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Als seine Begeisterung für das Geschäft vorbei war, hatte er noch zwei Monatsmieten im voraus bezahlt, und als er keinen Abnehmer fand, entschloß er sich einen humorvollen Abschluß zu inszenieren. Er verschenkt alles, was sich noch im Laden befindet. Manche sind verständnislos, manche zu Tränen gerührt, viele bringen Ringelnatz Gegengeschenke. Als er 1934 an einer Lungenkrankheit stirbt, spielen ein paar Musiker auf dem Friedhof das Seemannslied "La Paloma".
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